Weinreben und Klimawandel im Sommerloch

Als aufmerksamer Medienbeobachter und Klimawandelshysterie-Verweigerer ist man ja einiges gewöhnt. Gerade während der Saure-Gurken-Zeit, wenn es wenig zu berichten gibt und das Ungeheuer von Loch Ness ausnahmsweise einmal nicht für eine Schlagzeile herhalten muß.

Dieser Bericht des Bayerischen Rundfunks, gefunden via Drink Tank, schafft es aber trotzdem, bei mir ein ungläubiges Staunen hervorzurufen. So eine Ente ist mir noch selten untergekommen.

Wein blüht zum zweiten Mal

Daran können sich auch die ältesten Winzer in Franken nicht erinnern: In den Weinbergen hat eine zweite Blüte begonnen….

„2007 zeigt sich der Klimawandel von seiner Schokoladenseite“, sagt Arnold Schwab von der Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau in Veitshöchheim: „dieser Sommer ist nicht wie erwartet trocken und heiß, sondern feucht und warm.“ Und das hat die Reben in Frankens Weinbergen zu einer zweiten Blüte angeregt. Vor allem die Besitzer von Hausrebstöcken dürfen sich nach Auskunft des Weinbauexperten über eine zweite Ernte im Oktober freuen; deren Qualität wird allerdings eher bescheiden sein…

Angesichts dieser Meldung muß der ahnungslose Medienkonsument der Meinung sein, daß ein durch den Klimawandel ausgelöstes, bisher unbekanntes Phänomen den Winzern künftig geradezu paradiesische Zustände beschert: Zwei Ernten in einem Jahr!

Die Wahrheit ist natürlich wesentlich unspektakulärer und wäre wohl nicht für eine Schlagzeile gut gewesen: Die grünen Triebe der Reben tragen jedes Jahr Blätter, Trauben, Ranken und Seitentriebe (die sogenannten Geiztriebe). Je nach Sorte, Nährstoff- und Wasserversorgung wachsen die Geiztriebe stärker oder schwächer und tragen vereinzelt oder auch häufig kleine Trauben. Jedes Jahr.

Diese Geiztriebtrauben wachsen naturgemäß erst später als die „Haupttrauben“, weil der Rebstock ja zuerst den Haupttrieb (samt Blättern, Trauben und Ranken) entwickeln muß, bevor dieser einen Seitentrieb samt Traube treiben kann. Je nach Witterung blühen die Geiztriebtrauben manchmal schon im Juni, manchmal aber erst im August. Aber sie blühen jedes Jahr, denn so spät kann die Geiztriebbildung gar nicht erfolgen als das es für eine Blüte der kleinen Träubchen schon zu kalt wäre.

Je nach Blütetermin (d.h. je nach Jahrgang) sind diese kleinen Trauben zur Haupternte manchmal schon halbreif, manchmal aber auch gerade erst verblüht. Wegen des Reiferückstandes im Vergleich zu den „normalen“ Trauben werden Geiztriebtrauben bei der Ernte normalerweise nicht gelesen und hängengelassen oder sogar schon vor der Ernte beim Ausdünnen entfernt, um zu vermeiden, daß die Rebe überhaupt Energie in nicht verwertbare Trauben investiert.

Die einzige „Besonderheit“ der Geiztriebtrauben 2007 ist daher nicht deren Blüte bzw. deren Existenz an sich, sondern höchstens die durch den deutlichen Vegetationsvorsprung größere Wahrscheinlichkeit dafür, daß sie heuer halbwegs ausreifen können. Aber selbst das ist kein singuläres Ereignis, an das sich „auch die ältesten Winzer nicht erinnern können“.

Ende der 1980er war es in Österreich ein paar Jahr lang in Mode, die Geiztriebtrauben nach der Haupternte zu lesen und separat zu vinifizieren. Die daraus gekelterten „Irxenweine“ (mundartlich für Geiztriebe) waren sehr leichte, säurebetonte und wenig aromatische Kuriositäten, die eher über ihre Entstehungsgeschichte als über die tatsächliche Qualität an den Mann und die Frau gebracht wurden.

Es würde mich sehr wundern, wenn sich die Reben in Franken so völlig anders verhalten würden wie im Burgenland. Dafür kenne ich nämlich das Weinbaugebiet Franken zu gut (ein Verwandter ist dort Winzer und Kellermeister), und diese beiden Einträge im Wein-Plus-Glossar zeigen, daß das Phänomen der Geiztriebtrauben auch in Deutschland durchaus nichts Sensationelles ist.

Irgendwie ist es ist schon bezeichnend, mit welchen Methoden die Klimawandels-Hysteriker „Beweise“ für ihre Untergangsphantasien konstruieren. Dafür gibt es ja auch andere Beispiele, aber das würde hier wohl zu weit führen…

6 Gedanken zu „Weinreben und Klimawandel im Sommerloch“

  1. Diese Meldung mag noch so kurios sein, aber sie ist nur eine von sehr vielen, die insgesamt ein vielschichtiges, komplexes Bild ergeben. Letztlich werden auch Sie durch Ihre „Klimawandelshysterie-Verweigerung“ nichts ändern können. Sie werden möglicherweise nur mangels früher Einsicht am Ende einen höheren Preis zahlen. So wie Sie mir und anderen Hysterie unterstellen, könnte ich Ihnen unterstellen, dass Sie sich verhalten wie die drei Affen: nur nichts sehen, hören, sprechen. Ich glaube man nennt das auch Vogel-Strauss-Politik.

  2. Sehr geehrter Herr Scheuermann!

    Den Klimawandel abzustreiten wäre dumm und deshalb habe ich das auch mit keinem Wort getan.

    Über das Ausmaß des Klimawandels, seine Ursachen und Einflußmöglichkeiten des Menschen unterschiedlicher Meinung zu sein ist legitim, und durchaus auch unter seriösen Experten der Fall.

    Mit eindeutigen Falschmeldungen wie dieser (und vielen anderen) Stimmung zu machen ist unseriös und gefährlich, weil das abstumpft, den Menschen mittelfristig die Sensibilität für dieses wichtige Thema nimmt, ihnen ein Gefühl der Ohnmacht gibt und so die Bereitschaft, sinnvolle Maßnahmen mitzutragen reduziert.

    Nicht hinter jedem Gewitter und jeder scheinbaren oder tatsächlichen Veränderung in der Natur einen Vorboten der Apokalypse zu vermuten bedeutet nicht, Augen und Ohren vor Veränderungen zu verschließen.

    Und es bedeutet auch nicht, daß man nicht auf Veränderungen angemessen und sachlich fundiert reagiert.

    Hochachtungsvoll

    Bernhard Fiedler

    P.S.: Das jemand wie Sie, der laufend auf Fehler in Medienberichten über Wein aufmerksam macht bereit ist, einen solchen Blödsinn wie diese Meldung zu akzeptieren nur weil er gut in das eigene Meinungsbild paßt, ist das beste Beispiel für unkritische Klimawandel-Dogmatik.

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