Und sie halten doch!

Wann immer ein vorurteilsbeladener Rotweintrinker ob der Qualität der österreichischen Roten nicht umhin kommt, diesen Anerkennung zu zollen, tut er dies mit folgendem Vorbehalt: Ja, in der Jugend mögen sie gut sein, aber sie halten nicht…

Nicht das an diesem Argument nichts dran wäre. Es gibt genügend Beispiele für heimische Rote, die alt geworden sind, ohne je im positiven Sinne reif gewesen zu sein. Aber es gibt auch gar nicht so wenige Gegenbeispiele.

Zwei davon aus unserem Keller habe ich heute mit Freude in einer geselligen Runde getrunken (und nur am Rande verkostet 😉 ):

Blaufränkisch 1994
Auf der schnellen Suche nach einem Rotwein fiel mir eher zufällig eine Flasche unseres ganz normalen „Einstiegsweines“ in die Hände. 1994 war zwar ein durchaus gutes Rotweinjahr, aber dieser Wein war nicht dazu gedacht, 12 Jahre gelagert zu werden. Jüngere Rebstöcke mit zwar reduziertem, aber trotzdem gar nicht so niedrigem Ertrag. Ein trockenes, heißes Jahr, eine „normale“ Vinifikation, 12,5% Alkohol und ein gutes halbes Jahr in traditionellen Fässern. Damals zu einem geschätzten Preis von rund 50,-Schilling (knapp 4 Euro).

Meine Erwartungen waren also nicht allzuhoch. Aber siehe da, der Wein war perfekt. Nicht im Sinn von „groß“, dafür fehlte es ihm – welch Wunder – an Substanz und Komplexität. Aber er war voll Leben, verband Frucht mit Reife, zeigte eine verblüffende „Süße“ am Gaumen und gerade so viel Tannin, um nicht im Abgang konturenlos und beliebig zu verschwinden.

Ein echter Genuß, auch für Gelegenheitsweintrinker, deren Geschmacksbild von Wein österreichtypisch jungweingeprägt ist. Nachdem die Flasche verblüffend schnell geleert war, begab ich mich erneut in unser „Archiv“. Mutig geworden entschied ich mich für

Alte Rieden, Blaufränkisch-Cabernet 1992

Zwei Drittel Blaufränkisch von den ältesten Rebstöcken, gemeinsam vergoren mit der ersten Ernte vom Cabernet. Damals der Spitzenwein unseres Sortiments, der bis dahin beste Rote des Betriebes überhaupt und ebenfalls ein gutes (heißes, trockenes) Rotweinjahr. Im Vergleich zu obigem Blaufränkisch deutlich niedrigere Erträge, höhere Reife, etwas mehr Alkohol (gut 13%) und etwa ein Jahr in neuen und älteren Barriques. Damals zu einem geschätzen Preis von 130,- Schilling (knapp 10 Euro).

Auch dieser Wein war heute nach 14 Jahren in toller Verfassung. Wie schon in seiner Jugend war er deutlich strukturierter als obiger Blaufränkisch. Der hohe Anteil an Weinsäure in den besonders reifen Trauben führte damals dazu, daß nach dem biologischen Säureabbau ein relativ hoher Säuregehalt im Wein verblieb (über 6 g/l). Dieser Säuregehalt trägt bis heute die Fruchtigkeit dieses Weines, die den Einfluß des Cabernet nicht verleugnen kann.

Die höhere Säure prägt natürlich auch den Geschmackseindruck am Gaumen. Zwar wirkt der Wein nicht säurebetont, aber doch recht straff und schlanker, als er ist. Ob eine geringfügige Entsäuerung (die wir damals überlegt, aber dann doch nicht durchgeführt haben) den Wein „besser“ gemacht hätte, läßt sich auch heute nicht sagen.

Den meisten meiner Gäste schmeckten die „Alten Rieden“ (noch) besser, als der Blaufränkisch. Ich persönlich war mir da nicht ganz so sicher. Aber die „Alten Rieden“ wirkten auf jeden Fall deutlich lebendiger. Im Unterschied zum Blaufränkisch, der keine Reserven für eine weitere Entwicklung mehr erkennen ließ, ist sie auch nach 14 Jahren noch (lange?) nicht am Ende.

5 Gedanken zu „Und sie halten doch!“

  1. Spannend, Bernhard, ich hab‘ ähnliche Erfahrungen mit dem 87er Basis-Blaufränkisch von Joesef Leberl oder einem 83 (!) Blaufränkisch aus dem Doppler Deines „Nachbarn“ Ernst Triebaumer gemacht. Würdest Du sagen, Deine beiden „getrunkenen“ (gut so 😉 ) sind heute besser, komplexer, interessanter wie in ihrer Jugend?

  2. Hallo Peter!

    Besser, komplexer oder interessanter würde ich beide Weine nicht unbedingt nennen wollen. Eher gleich gut, aber anders.

    Auf jeden Fall regen beide Weine, vor allem aber der „normale“ Blaufränkisch zum Nachdenken darüber an, wie wenig an „Schnickschnack“ es scheinbar braucht, damit sich ein Rotwein hält:

    Keine extremen Minierträge, die deutlich höhere Preise erforderlich machen, keine extrem (über-)reifen Trauben, keine Maischeüberextraktion bis zu einer genußfeindlichen Tanninkonzentration, keine 14,5 Prozent Alkohol und keinen dramatischen Holzeinsatz.

    Die Frage, was es braucht ist damit natürlich noch nicht endgültig beantwortet. Aber ein Wegweiser für eine weitere intensive Beschäftigung mit diesem Thema sind diese Gedanken allemal.

    Grüße

    Bernhard

  3. Ach, wie trauere ich der letzten Flasche des 1983er Blaufränkisch (damals noch Doppler) vom Tesch nach, wo die allerletzte Flasche vor knapp einem halben Jahr zeigte, wie gut öst. Rote reifen können.

    Das was mich allerdings in deiner Geschichte verblüfft ist die hohe Säure beim 92er. In diesem völlig unterschätzten Jahr (ich war einer der wenigen, der damals wie blöd gekauft hat) gab es doch eher niedrige Säurewerte. Wenn du davon noch was hast muss ich den einmal kosten kommen…

    Lieben Gruss

    Knalli

  4. Hallo Knalli!

    Der Säurewert dieses Weines war uns auch immer ein Rätsel. Er war von Anfang an höher und ist während des Barriqueausbaus nochmal drei oder vier Zehntel gestiegen (wenn man den Analysenlabors glauben darf). Ein ähnliches Phänomen hatte damals übrigens auch John Nittnaus. Ich war damals bei einer Veranstaltung, bei der er das zur Sprache gebracht hat.

    Etwa 12 Flaschen sind noch da. Es würde mich sehr freuen, wenn eine davon der Anlaß für einen Knalli-Besuch werden könnte.

    Übrigens:
    Ich habe heute das letzte Achtel des 92ers getrunken. Nach zwei Tagen mit viel Luft war er immer noch gut in Form. Mit meiner Potential-Einschätzung dürfte ich also nicht ganz daneben liegen…

    Grüße

    Bernhard

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