Wie in Teil 1 erwähnt, decken sich meine praktischen Erfahrungen nicht mit dem gängigen Erklärungsmodell für hohe und steigende Alkoholgehalte.
Unsere Weine weisen nämlich vergleichsweise moderate und seit Jahren nahezu gleichbleibende Werte auf, obwohl wir uns in einer relativ warmen Klimazone befinden. Dieser Trend gilt für trockene Weiß- und Rotweine, wenn auch die Zusammenhänge recht unterschiedlich sind.
Die Weißen
Die leichtesten Weine unseres Sortiments liegen bei etwa 11 bis 12 Prozent. Diese Werte sind relativ einfach zu erklären, weil sie zwei ziemlich klare Ursachen haben. Zum einen sind Grüner Veltliner und Muskat Ottonel die preisgünstigsten Weine und wir nützen den gesetzlich vorgegebenen Höchstertrag aus (wenn die Natur es zuläßt), um unsere Kosten im Rahmen zu halten.
Zum anderen ist eine lebendige Säurestruktur gerade bei diesen Sorten besonders wichtig, und deshalb bestimmen wir vor allem in heißen Jahren den Erntetermin eher nach dem Säure- als nach dem Zuckergehalt in den Trauben.
Höhere Erträge bewirken ein späteres Einsetzen der Zuckerbildung, und eine frühe Ernte (um eine weitere Abnahme des Säuregehaltes während der Traubenreife zu vermeiden) verhindert das all zu starke Ansteigen der Zuckergrade (und damit des Alkoholgehaltes).
Soweit, so gut. Schwieriger wird die Sache allerdings bei unseren weißen Aushängeschildern Pinot blanc und Chardonnay.
Bei beiden Sorten achten wir nämlich auf deutlich niedrigere Erträge, was zu einer beschleunigten Zuckereinlagerung in die Trauben führt. Und weil sie von Natur aus ein höheres Säurepotential haben, warten wir mit der Lese auch bis zur Vollreife zu, sofern das Wetter dies zuläßt.
Trotzdem hat unser Chardonnay noch niemals die 14-Prozent-Hürde übersprungen, und der Pinot blanc liegt selbst in einem Jahr wie 2009 (mit perfektem Herbstwetter und einem Ertrag von nur rund 36hl/ha) kaum über 13 Prozent.
Umgerechnet auf den Zuckergehalt der Trauben bedeutet das Refraktometerwerte von 18 bis 19,5 °KMW. Die von Medien und Winzerkollegen häufig kolportierte 20-Grad-Marke haben wir mit gesunden Trauben ohne Überreife noch niemals überschritten.
Und die Rotweine
Rotweine weisen beim gleichen Ausgangszuckergehalt deutlich weniger Alkohol auf, als Weißweine. Rund ein Prozent verdunstet nämlich während der (deutlich wärmeren) Gärung und der (längeren und eher in Fässern als in Tanks stattfindenden) Lagerung.
Der Alkoholgehalt unserer Roten, der zwischen 12,5 und 13,5 Prozent liegt, stammt deshalb nicht immer ausschließlich aus dem Zucker der Traube. Selbst bei niedrigsten Erträgen steigen die Zuckergrade von Zweigelt, Blaufränkisch und Cabernet Sauvignon in unseren Weingärten nämlich ab 18°KMW wenn überhaupt nur noch sehr langsam weiter an.
In den meisten Jahrgängen haben auch unsere reifsten Trauben bei der Lese „nur“ zwischen 18,5 und 19,5°KMW, was einen Alkoholgehalt von etwa 12 bis knapp 13 Prozent ergeben würde.
Da diese Werte unserer Meinung nach oft nicht ganz in Einklang mit dem reifen Charakter der Fruchtaromen und der hochwertigen Tanninstruktur des Traubenmaterials stehen, erhöhen wir den Alkoholgehalt nicht selten mittels Aufbesserung um etwa ein halbes oder ganzes Prozent.
Unsere Ausnahmewerte an natürlichem Alkohol liegen bei allerhöchstens 13,5 Prozent. Und weil wir elegante Rote bevorzugen, gehen wir auch dann nicht über diese Grenze hinaus, wenn wir den Alkoholgehalt durch die Zugabe von Saccharose zum Most im Keller einstellen.
Angesichts dieser Erfahrungen läßt sich vielleicht nachvollziehen, warum ich so meine Schwierigkeiten mit manchen Thesen zum Alkohol-Zunahmi habe. Natürlich kann man einwenden, dass das auch an mir liegen könnte. Dass ich einfach irgend etwas falsch mache.
Zum meinem Glück sprechen aber einige gute Argumente dagegen. Die gibt es dann in Teil 3.
Guten Tag,
es ist einfach immer wieder ein Genuss, deinen fundierten Aussagen zu folgen. Das ist für mich Bildung pur betreffend Wein.
Ich wünsche weiterhin viel Erfolg!