Auch die geübtesten (Blind-)Verkoster sind nur Menschen. Und den besten von ihnen ist immer bewußt, dass irren zum Menschsein dazugehört und es in (Wein-)Geschmacksfragen niemals eine richtige, eine alleingültige Meinung geben kann.
Verkostungserlebnisse, die mich daran erinnern, zählen deshalb zu meinen wichtigsten Erfahrungen:
Fehler oder wahre Größe?
Vor etwa 15 Jahren waren wir noch an einer Mörbischer Gemeinschaftsweinmarke beteiligt. Bei der Präsentation des neuen Jahrgangs standen damals unter anderem an die 20 Blaufränkisch des Jahrgangs 1992 zur Verkostung, die alle von verschiedenen Weinbauern nach den gleichen Richtlinien gekeltert wurden.
Zwei dieser Weine fielen damals deutlich aus der Reihe, der eines Kollegen und unserer. Beide waren deutlich von Aromen geprägt, die an Leder und Pferdeschweiß erinnern und die im Zuge des Weinausbaues von Brettanomyces-Hefen gebildet werden können. (Zum Glück hatten wir davon nur eine kleine Menge und seither keine nennenswerten Schwierigkeiten mit diesen Hefen mehr.)
Auch wenn diese Aromen nicht nur von vielen Laien, sondern auch von manchen Weinfreaks mit dem Geschmack verwechselt werden, den Barriques an den Wein abgeben, gilt „Brett“ als Weinfehler, weil es viele von der Traube und dem Ausbau stammende Aromen überlagert und dadurch Weine uniform schmecken läßt.
Wie bei allen Weinfehlern macht aber auch hier die Dosis das Gift. Und da sich ein mehr oder weniger kleiner Anteil an Pferdeschweißaromen in sehr vielen internationalen Spitzenweinen findet, werden die animalischen Noten häufig toleriert oder von manchen sogar als Qualitätsmerkmal geschätzt.
So hat man z.B. herausgefunden, dass der weltweit einflußreichste Weinjournalist Robert Parker gerne Weine hoch bewertet, in denen sich das Leitaroma von Brettanomyces sensorisch und auch analytisch in hoher Konzentration nachweisen läßt.
Bei der damaligen Verkostung hat sich etwas ähnliches zugetragen. Eine Dame der schreibenden Zunft, die ich flüchtig kannte, schilderte mir ihre Verkostungseindrücke etwa folgendermaßen:
„Die ganze Serie an Blaufränkischen ist zwar recht gleichmäßig, aber qualitativ wenig aufregend. Nur zwei Weine stechen deutlich heraus und sind um Klassen besser: Der Wein von XY ist eindeutig die Nummer 1, ihrer folgt auf Platz zwei und dann kommt lange nichts.“
Der Wein von XY hatte ein massives Brettanomyces-Problem, und unserer ein leichtes, aber doch deutlich merkbares. Und während ich den Blaufränkisch von XY für untrinkbar und unseren eigenen für problematisch hielt, beurteilte sie die Journalistin eindeutig aufgrund der selben Symptome völlig konträr.
Hier gehts zu Teil 1 mit Links zu allen Folgen.
Sehr geehrter Herr Fiedler,
ich finde es sehr gut, dass sie so dezidiert gegen Brett Stellung beziehen. Wie auch sie denke ich, dass Brettaromen die eigentliche Frucht überlagern und auch die Tanninstruktur negativ beeinflussen (die Weine wirken dünn und ausgezehrt). Als Winzer sollte man seine Konsumenten über Brett nicht im unklaren lassen, da wie sie richtig schreiben Brett in Österreich ein Weinfehler ist.
Herzliche Grüße
Franz Schneider