Vorausschauende Weinbauern kümmern sich früh genug um das Pflanzmaterial für einen neuen Weingarten. Nur wenn man die gewünschte Kombination von Sorte (und deren Klon bzw. Herkunft) mit Unterlagsrebe gut ein Jahr vor der eigentlichen Pflanzung in der Rebschule bestellt, ist man nicht auf die vorproduzierte Standardware oder das, was überhaupt noch erhältlich ist angewiesen.
Die Qual der Wahl
Anders als in vielen Gebieten Frankreichs und Italiens läßt uns das Weingesetz bei der Wahl der Rebsorte relativ freie Hand. Mehr als 30 Sorten sind als Qualitätsrebsorten zugelassen und dürfen ohne weitere Beschränkungen ausgepflanzt werden.
Die Wahl will aber gut überlegt sein, denn die Sortenfrage entscheidet wesentlich über den (auch kommerziellen) Erfolg oder Mißerfolg eines Weingartens während seiner jahrzehntelangen Lebensdauer.
Wenn die Sorte nicht zum Standort paßt, leidet darunter die Qualität und damit letztlich auch der Preis und/oder der Verkauf. Aber auch wenn die Kombination von Sorte und Lage gute Weine ermöglicht, kann es wirtschaftliche Probleme geben, wenn der Weinbauer bei der Entscheidung den Markt außer Acht läßt.
So ist es in den vergangenen Jahrzehnten nicht selten passiert, dass die vielversprechende Modesorte schon wenige Jahre nach der Pflanzung völlig „out“ wurde und sich trotz guter Qualität nur sehr schwer an den Mann bringen läßt. Müller Thurgau und Neuburger sind dafür gute Beispiele.
Unser Grundstück am Goldberg ist für mehrere Traubensorten geeignet. In anderen Parzellen in der gleichen Lage haben wir gute Ergebnisse mit Zweigelt, Blaufränkisch, aber auch Cabernet Sauvignon und einem revitalisierten Grünen-Veltliner-Weingarten.
Da wir aber mit diesen Sorten im Moment ohnehin recht gut versorgt sind, und der neue Weingarten von einem nächtlichen Kaltluftstrom beeinflußt wird, weil er am Rand der Riede Goldberg liegt, haben wir uns entschieden, Weißweinsorten zu pflanzen. In Anbetracht der Größe des Weingartens von immerhin 10 Prozent unserer Gesamtfläche erscheint uns eine Teilung sinnvoll, und so planen wir rund 0,3 ha Chardonnay und etwa 0,7 ha Muskat Ottonel.
Reben nach Maß
Das Pflanzmaterial für unseren bestehenden Chardonnay-Weingarten stammte von älteren Rebstöcken eines Kollegen, die sich schon zumindest seit einigen Jahrzehnten im Burgenland bewährt haben. Da wir mit der Qualität und dem Ertrag bislang immer zufrieden waren, haben wir uns entschlossen, auch den Goldberg mit diesem, „unserem“ Chardonnay zu bestocken.
Zu diesem Zweck haben wir den bestehenden Weingarten vor der Ernte 2007 begutachtet und eine Auswahl von Rebstöcken markiert, die eindeutig gesund waren und besonders schöne Trauben hatten. Die Triebe dieser Stöcke brachten wir nach dem Schnitt in die Rebschule unseres Vertrauens, wo sie auf die Unterlagsrebe veredelt wurden, die uns für Sorte und Boden am passendsten scheint.
Beim Muskat Ottonel können wir auf keine eigenen Rebstöcke zur Vermehrung zurückgreifen, da unsere Weingärten auf Grund ihres Alters sehr schwachwüchsig sind und kaum für die Vermehrung geeignete kräftige Triebe erbringen. Außerdem sind viele Stöcke mit mehr oder weniger auffälligen Viruserkrankungen infiziert, was für eine Junganlage ein denkbar schlechter Start wäre.
Damit wir uns trotzdem nicht nach drei Jahren Pflege beim ersten Ertrag von der Qualität der Trauben überraschen lassen müssen, haben wir jene verschiedenen Weingärten besichtigt, die von „unserer“ Rebschule zur Vermehrung herangezogen werden.
Entschieden haben wir uns dann für eine gemischte Auswahl von alten Rebstöcken (mit entsprechender genetischer Vielfalt) und gegen einen oder mehrere Klone (die von Weinbauversuchsanstalten aus einer Mutterpflanze herangezogen werden und daher alle genetisch ident sind).
2 Gedanken zu „Damit man sie hat, wenn man sie braucht“