Das Wetter ist vor allem um diese Jahreszeit, wenn die Trauben schon halbreif und höchst empfindlich an den Rebstöcken hängen für echte Weinbauern ein Dauerthema. Gottseidank ist es mittlerweile wieder wärmer und vor allem trockener geworden. Vor zwei Wochen, am 29. Juli wußte ich noch Folgendes zu berichten:
Gottseidank war es heute soweit. Es war zwar nur ein kleiner Regenschauer, aber um diese Jahreszeit freuen wir uns über jeden Tropfen und vielleicht haben die Meteorologen ja diesmal recht und es kommt in der Nacht oder morgen noch etwas nach.
Insgesamt sind es damals etwa 30 Liter pro Quadratmeter geworden, was für die nächsten Wochen ausgereicht hätte. Leider sind seither aber nocheinmal geschätzte 50 oder 60 Liter dazugekommen. Zuviel Wasser zum falschen Zeitpunkt ist aber genauso problematisch wie zu wenig vom kostbaren Naß.
Was kann passieren, wenn es zuviel regnet und was kann der Winzer dagegen tun?
Große Beeren, verzögerte Reife, Mehltau und Fäulnis
Zu viel Regen um diese Jahreszeit führt zu einer vermehrten Wasseraufnahme der Reben über die Wurzeln. Je flacher das Wurzelsystem der Reben ist, umso ausgeprägter ist dieser Effekt. Daher leiden junge Reben stärker als alte, zu deren tiefliegenden Wurzeln das Wasser weit langsamer und dosierter vordringt. Bewässerte Reben, die sich nie die Mühe machen mußten, in der Bodentiefe nach Wasser zu suchen, sind ebenso stärker betroffen, wie auch Reben die auf sehr seichtgründigen Böden mit felsigem Untergrund nicht in die Tiefe wachsen können oder solche, die nicht in die Tiefe wachsen wollen, weil z.B. sehr sandige Böden sie nicht mit nährstoff- oder wasserreichen Schichten in die Tiefe „locken“.
Die vermehrte Wasseraufnahme führt zu einem deutlichen Anschwellen der Beeren, verbunden mit einem eher kurzfristigen Verdünnungseffekt der Inhaltsstoffe und zu einem Wachstumsschub für den Rebstock. Das relativ rasche Anschwellen kann ein Aufplatzen der Beeren mit Botrytis-Folgeproblemen bewirken. Entweder, weil die Schale nicht (mehr) elastisch genug ist (Gelber Muskateller u.a.) oder weil bei dichtbeerigen Sorten (Burgundersorten, Neuburger, Zweigelt,…) einfach nicht genug Platz für alle Beeren bleibt.
Auch der Wachstumsschub für den Rebstock ist negativ zu sehen. Mehr Wasser bedeutet in der Regel auch mehr verfügbare Nährstoffe. Diese investiert der Rebstock oft in eine Wiederaufnahme des eigentlich um diese Zeit schon weitgehend abgeschlossenen Triebwachstums, was zu einer Verzögerung der Traubenreife führen kann. Eine erhöhte Stickstoffaufnahme durch zu viel Niederschläge beugt zwar späteren Gärproblemen vor (da der Stickstoff ein wichtiger Hefe-Nährstoff ist), erhöht aber das Botrytisrisiko, da zu viel Stickstoff zu großen Pflanzenzellen und damit zu eher dünnen, wenig robusten Beerenschalen führt. Der Fäulnispilz Botrytis cinerea kann zwar auch Edelfäule hervorrufen, die zur Herstellung von hochwertigen Prädikatsweinen hervorrufen (wenn er auf reifen Trauben wächst), im Stadium der beginnenden Traubenreife bewirkt er allerdings die unerwünschte Grün- oder Sauerfäule, die die Trauben unbrauchbar macht.
Große, rasch gewachsene Pflanzenzellen mit dünnen Wänden und Regentropfen auf den Blättern und Trauben über mehrere Stunden oder Tage begünstigen nicht nur Fäulniserreger, sondern auch den falschen Mehltau, eine Rebkrankheit, die auch Peronospora genannt wird. Diese Krankheit wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus Nordamerika eingeschleppt und stellt für die europäischen Edelrebsorten eine große Gefahr dar, da diese in dieser biologisch gesehen relativ kurzen Zeit keine nennenswerte Widerstandskraft dagegen entwickeln konnten. Peronospora führt zum Absterben von Blattteilen oder ganzen Blättern und zum Reifestopp und Einschrumpfen der Trauben. Sehr starker Befall kann zum Abfallen aller Blätter bereits im Juli oder August und zu einem Vertrocknen aller Trauben eines Rebstockes führen.
Seit ich im elterlichen Betrieb tätig bin, war Peronospora kaum ein Problem, da das heiße, trockene Klima des Burgenlandes weniger den falschen als den echten Mehltau (genannt Oidium) begünstigt. Nach 2004 ist heuer aber bereits das zweite Jahr innerhalb kurzer Zeit, in dem die Peronospora zeigt, daß auch mit ihr zu rechnen ist.
Sorgfältige, vorausschauende Bewirtschaftung verringert das Risiko
Gegen die Folgen eines verregneten Sommers oder Herbstes gibt es keinen absoluten Schutz. Trotzdem kann der Weinbauer mit vielen kleinen, für sich allein oft unscheinbaren Maßnahmen das Risiko verringern. Einige dieser Maßnahmen erweisen sich bei heißem, trockenen Wetter allerdings als kontraproduktiv. Und da längerfristige Wetterprognosen selten halten, was sie versprechen, ist das vorbeugende Anpassen der Bearbeitung an das Wetter oft eine Frage des Glücks, der Risikobereitschaft und der Erfahrung.
Um die Rebwurzeln in tiefere Bodenschichten zu „zwingen“ kann es sinnvoll sein, bei der Auspflanzung eines neuen Weingartens die Reben dichter zu pflanzen. Die erhöhte Wurzelkonkurrenz an der Oberfläche führt dazu, daß die Reben eher in die Tiefe wachsen, als bei sehr weiträumig angelegten Weingärten. Einen ähnlichen Effekt hat auch eine Begrünung der Rebzeilen, wie wir sie heuer verstärkt praktizieren. Diese Begrünung verbraucht aber natürlich auch Wasser und kann, wenn der Boden einmal ausgetrocknet und hart ist, nur mehr sehr schwer umgebrochen werden. Schlägt das Wetter also von feucht auf trocken um, wie heuer im Juni, vergrößtert die Begrünung den Trockenstreß der Reben, ohne daß man als Winzer zu diesem Zeitpunkt noch viel dagegen tun könnte.
Für heuer haben wir uns im Mai angesichts eines mehr als feuchten Winters und Frühjahrs für eine Begrünung der Rebzeilen entschieden, da diese nicht nur überschüssiges Wasser aufnimmt, sondern auch dem Boden Humus zuführt, das Bodenleben fördert und Erosion (Abschwemmungen durch Starkregen) verhindert. Spätestens Mitte Juli, als einzelne junge Reben in gefährdeten Lagen erste Trockenstreßsymptome zeigten, begannen wir an unserer Strategie zu zweifeln, ohne zu diesem Zeitpunkt noch etwas dagegen tun zu können. Heute, nur gute zwei Wochen später erweist sich die Begrünung als goldrichtig, da sie viel vom Wasser der letzten Wochen aufgenommen hat und der Boden für dringende Traktorarbeiten auch bei Feuchtigkeit gut befahrbar ist.
Die Begrünung nimmt nicht nur Wasser sondern auch Stickstoff und andere Nährstoffe auf, sodaß sie gemeinsam mit einer zurückhaltenden Düngung den durch einen Wasserüberschuß ausgelösten Wachstumsschub der Triebe bremsen kann und zu widerstandsfähigeren Blättern und Trauben führt.
Um Pilzkrankheiten vorzubeugen und jeden Sonnenstrahl optimal für die Traubenreife zu nutzen ist in feuchten Jahren die Laubarbeit besonders wichtig. Eine gut erzogene Laubwand gibt allen Blättern beste Lichtverhältnisse und ermöglicht dem Wind die Blätter und Trauben nach Regen rasch wieder abzutrocknen. Rund um die Trauben kann man in solchen Jahren vermehrt Blätter entfernen, um diesen Effekt noch zu verstärken und vor allem bei Rotweinsorten mehr Sonnenlicht zu den Trauben zu bringen. Bei großer Hitze und Sonneneinstrahlung schützen sich unbeschattete Trauben allerdings mit vermehrter Gerbstoffbildung in der Schale, was zu unerwünschten Bitterstoffen im Wein führen kann. Im Extremfall kann eine zu starke Sonneneinstrahlung auch zum Vertrocknen einzelner Beeren oder sogar ganzer Trauben führen. Auch in diesem Fall weiß man leider erst zu spät, ob man besser entblättern hätte sollen, oder ob man sich das Entblättern besser gespart hätte.
Um einem drohenden Reiferückstand in feuchten Jahren vorzubeugen, ist es ratsam, den Ertrag stärker zu reduzieren als üblich. Geringer belastete Rebstöcke sind eher in der Lage, auch in späten Jahren die Trauben voll ausreifen zu lassen. Allerdings darf das Ausdünnen nicht zu früh erfolgen, sonst wachsen die verbleibenden Trauben noch nach und haben dann besonders große, „verdünnte“ Beeren und sehr dichte, botrytisgefährdete Trauben.
Trotz dieser indirekten Maßnahmen ist gerade in niederschlagsreichen Jahren der Pflanzenschutz der wichtigste Faktor. Vor allem gegen Peronospora helfen nur vorbeugende Behandlungen mit Fungiziden. Selbst im biologischen Weinbau werden dazu Kupferlösungen verwendet, da es gegen die eingeschleppte Erkrankung nicht genügt, nur die Widerstandskraft der Reben zu stärken. Auch gegen Botrytis kann man Spritzungen durchführen, die allerdings nur eine beschränkte Wirkung haben, da zwischen der letzten Behandlung und der Ernte je nach Präparat zwischen drei und sechs Wochen Wartefrist eingehalten werden müssen. In der Endphase der Reife ist daher kein Schutz mehr gegeben und bei massivem Botrytisdruck hilft nur ein Vorziehen der Ernte und/oder eine sorgfältige händische Auslese. Trauben mit Grünfäule sind dabei zu verwerfen, Trauben oder Beeren mit Edelfäule können höchste Prädikatsweinqualitäten ergeben. Licht und Schatten sind in diesem Fall recht eng beisammen…
1 Gedanke zu „Allzuviel ist ungesund“