Hobbywinzer Stefan Schär hat heute Vormittag via Kommentar zu einem alten Blogbeitrag einige nicht uninteressante Fragen gestellt und um Rat gebeten. Damit sein Anliegen nicht untergeht, widme ich ihm hiermit einen eigenen Beitrag:
Hallo Weinfreunde
Als Schweizer Hobbywinzer besitze ich seit 4 Jahren im Kanton VS 1000 m2 Pinot Noir. Seit Beginn diesen Hobbys beschäftigt mich folgendes Problem: Der Wein erleidet nach Zugabe von Schwefel (Kaliumdisulfit-Tabletten) einen massiven Farbverlust, so dass bei Flaschenfüllung fast nur noch ein Rosewein besteht.
Angaben zum Problem (Farbverlust):
– mit 28-32 Grad Celsius vergoren, 7 Tage Nachstandzeit, danach abgepresst
– Schwefelung erst 2 Monate nach Vergärung, keine Most oder Maischeschwefelung zuvor gemachtWas mache ich falsch? Ich kann doch nicht noch länger als 2 Monate nach der Vergärung warten, sonst oxidiert ja das ganze, oder? Dauert da immer noch die Farbstabilisierung an? Die Zugabe erfolgte nach 2 Monaten in Etappen, nie mehr als 50mg/l (wie es auch auf der Packung der Tabletten angegeben war: 1 Tab erhöht um 50mg/100Liter).
Jaja, ich weiß, der Pinot Noir ist von Haus aus ein farbschwacher Wein. Bei mir gibt es aber mehr oder weniger leider immer nur einen sehr schwachen Rotwein bis hin fast zum Rose…:-((Bitte um Antwort, möchte es dieses Mal nicht wieder verbocken…:-))
Fragen:
Ich hatte bis zur Schwefelung immer einen sehr ansprechenden Wein, der sowohl farblich wie auch geschmacklich einwandfrei war. Aus Sicherheitsgründn direkt nach Ablauf des eingeleiteten BSA (also ca. Ende November) mit 50mg/100l via Kaliumdisulfit-Tabletten geschwefelt.– Wie lange hätte ich die Trauben nach dem Vergären an der Maische liegen lassen sollen? (Habe dieses Jahr den Wein extra 12 Tage an Maische gelassen nach der Vergärung.)
– Wann sollte die erste Schwefelung statt finden und mit welcher Dosis (??mg/100l) bei gesundem Traubenmaterial?
– Wie hoch ist die freie schweflige Säure bei Flaschenfüllung eines Blauburgunders?Danke für eure Antwort!
Bevor ich auf die Fragen eingehe, möchte ich den Pinot Noir- und/oder Kellerwirtschaftskundigen unter den Lesern, also z.B. Thomas vom Winzerblog oder Armin Kobler den Vortritt lassen.
Vielleicht schaffen wir ja hier unten in den Kommentaren sogar so etwas wie eine Fachdiskussion zum Thema Rotweinfarbstoffe, Pinot Noir und SO2.
Könnte an einer zu späten Jungweinschwefelung liegen und/oder zu geringem Gerbstoffgehalt der Beeren – d.h. zu geringe physiologische Reife.
Er geht aber nicht genau darauf ein wann er die Schwefelung in Relation zum Ende des BSA macht, würde da nicht lange warten (1-2 Wochen). Da ansonsten die Farbe wieder instabil wird (regenerative Polymerisation) oder?
Bin ja selber erst „im Training“ und Pinot Noir nicht zu unseren Sorten zählt.
sicher, pn hat von natur aus weniger farbe, da darf bei der weinbereitung nichts schiefgehen.
wir wissen aber nicht, ob die trauben genügend farbstoffe ausgebildet haben.
in jedem fall wäre ein oxidationsschutz schon im maischestadium angebracht. 30 mg so2/l oder kg bei gesundem lesegut schaden nie, wenn nicht topgesund auch 50 davon.
danach die erst weinschwefelung in mormalfall gleich nach dem bsa, man könnte aber zur sicherheit 5 bis 10 mg auch gleich nach der gärung geben.
bei diesen letzteren mengen müsste der bsa trotzdem starten.
wenn man bei der füllung 40 mg stabile freie so2 hat, müsste auch die flaschenlagerung klappen.
mit dieser vorgangsweise hat es bei uns im versuchskeller — ich selbst habe keinen pn, leider — eigentlich immer, auch was die farbe angeht, geklappt.
Jeder Rotwein „verliert“ Farbe durch das Aufschwefeln, nur oft ist soviel davon da das man es nicht merkt. Würde das Problem nicht in der Schwefelung sehen. Sondern Weinbautechnisch lösen:
Traubenzone stark entblättern, bei Physiologischer Reife lesen, nicht überreif werden lassen.
Durch Maischestandzeit nach der Gärung kann man sehr gut Phenole auslaugen, aber nicht mehr Farbe.
Unser Pinot ist ohne Maischeschwefelung, erste Schwefelung nach dem BSA (bis 50 mg/l) mal heller mal dunkler, aber niemals tiefdunkel, hängt stark vom Jahr ab.
Freier Schwefel bei der Füllung: das wichtigste stabil muss er sein. Zw. 30 und 50, hängt ab von pH Wert, Verkauf gleich oder später und Lagerfähigkeit.
Das mit der Rosefarbe schaffen manche auch in wärmeren Gebieten, habe letztens einen solchen Wein aus dem Bgld verkostet.
Farbe ist aber nicht das Thema bei Pinot noir (warum eigentlich noir), was zählt sind Frucht, Eleganz(aber nicht dünn), Finesse, Vielschichtigkeit, Aroma, Feinheit…
Also ich find beim „Rezept“ keinen grundlegenden Fehler der einen schwerwiegenden Farbverlust erklären würde. Generell sind Pinot’s heller und damit auch anfälliger für auffällige Farbverluste durch Schwefelung aber auch Oxidation.
Mich würd interessieren um welchen Klon es sich handelt? Beim Pinot gibts da viel Spielraum. Viele sind sehr hell und nur wenige ergeben dunkle Weine. Gesundes, reifes Ausgangsmaterial ist Grundvoraussetzung – versteht sich – das Ausgangsprodukt Traube gibt den Wein vor. Falls die helle Farbe des Pinots wirklich stört würd ich ganz einfach etwas Saftabzug empfehlen oft helfen schon 5-10% um ein deutlich besser Farbausbeute zu erhalten. Für mich die einfachste und sinnvollste Methode.
Meinem Gefühl nach müßte Stefan über den Erntezeitpunkt nachdenken. Ich vermute das zu spät geerntet wurde und bereits am Rebstock die Farbstoffe verloren gingen.
Ein weiteres Stickwort ist Gesundheitszustand der Trauben. Auch hier ist der Pinot extremst nachtragend, insbesondere wenn zu lange mit der Ernte gewartet wurde.
Was passierte mit den Trauben zwischen Ernte und Gärbeginn?
Den Zeitpunkt des schwefelns halte ich für nicht so wichtig, ich habe nicht selten die Situation das der BSA nicht unmittelbar abgeschlossen wird, sondern erst im Sommer des Folgejahres. D.h. ich schwefle die Rotweine viel später als die Weissweine. Ich kann also am Zeitpunkt des schwefelns zunächst kein Problem erkennen, zumindest nicht so lange alles normal abläuft, also die Tanks voll liegen, die Hefe gesund ist und auch mikrobiologisch alles im grünen Bereich liegt.
Es ist schon beeindruckend wie viele Fehlerquellen es gibt, ich werde mal im Weinforum eine Checkliste anlegen, vielleicht kann man da was erarbeiten was Bernhards Artikel begleitet
Herzlichen Dank für die Widmung dieses Beitrages und den zahlreichen Antworten!
Ich verweile bis am Montag im Ausland, werde aber gerne am Dienstag zu den gestellten Fragen (genaue PinotSorte etc..) Antworten liefern, denn dieses Thema ist mir wichtig.
Sehr geehrter Herr Schär!
Wie versprochen melde ich mich nach den Kollegen (@all: Danke!) auch noch zu Wort:
Einleitend muß ich aber sagen, dass ich keine eigenen Erfahrungen mit dem bekannt farbschwachen Pinot und generell kaum Erfahrungen mit Farbproblemen habe. Das liegt zum einen daran, dass wir nur farbkräftige Sorten haben, und mir als Kellermeister an anderen Eigenschaften des Weines deutlich mehr liegt, als an einem undurchsichtigen Schwarzrot.
Was Ihren Fall betrifft, so scheint mit der Gärtemperatur und der Maischestandzeit alles in Ordnung zu sein. Die Schilderung einer ansprechenden Farbe VOR der Schwefelung läßt auch auf eine gute Durchmischung während der Gärung schließen und spricht eigentlich auch gegen ein Problem der Trauben. (Wobei man sich bei der Farbeinschätzung der Jungweine auch durchaus täuschen kann.)
Den Zeitpunkt von BSA und Jungweinschwefelung finde ich in Hinblick auf die Farbe auch nicht besonders entscheidend (zumindest dann wenn wir Oxidation als Folge einer zu späten Schwefelung ausschließen).
Wenn man also nicht von einem „zu wenig“ an Farbe ausgeht, sondern in erster Linie von einem „zu instabil“, dann hängt wohl tatsächlich sehr viel an der Frage der Tannin-Farbstoff-Reaktion, die stabilisierend wirkt.
Dabei spielt die Reife der Trauben gerade beim eher tanninarmen Pinot eine Rolle, ebenso wie die Frage, wie diese Tannine extrahiert und wie ihre Reaktion mit den Farbstoffen beeinflußt wird.
Ein Überdenken des Lesezeitpunktes, ein Saftabzug, das Mitvergären eines Teils der Stiele, mechanisches Unterstoßen des Tresterhutes statt nur Rundzupumpen, der Zusatz von Tanninen, oder Chips bzw. das Vergären in (relativ) neuem Holz könnte das Tanninpotential erhöhen. Und eine häufige, intensive Belüftung während der Gärung die Reaktion zwischen diesen Tanninen und den Farbstoffen zur Stabilisierung fördern.
Es könnte aber natürlich auch sein, dass Traubenverarbeitung und Gärung (besonders wenn die Trauben etwas überreif sind) nicht schonend genug erfolgen und der so vermehrt produzierte Feintrub vorhandene Farbstoffe absorbiert. Ursache der Aufhellung wäre dann aber nicht die Schwefelung, sondern die – zeitgleich, aber nicht so punktuell passierende – Selbstklärung des Weines.
Wie Sie sehen, „könnte Ihr Problem viele Ursachen haben, und eine eindeutige Lösungsstrategie ist – zumal übers Internet – nicht zu vermitteln.
Vielleicht finden Sie ja die richtige Spur nach unseren gemeinsamen Hinweisen. Über einen Bericht nach der nächsten Ernte wäre ich (und vielleicht auch die Kollegen) dankbar.
Grüße
Bernhard Fiedler
Herzlichen Dank allen für die guten Tipps und Analysen. Das mit der Reife könnte eben schon auch eine Ursache sein, habe ich doch gelesen, dass etliche Traubensorten im Kanton Wallis einen hohen PH-Wert infolge später Lese aufweisen. Jedoch muss ich auch sagen, dass alle Winzer dort erst ab einem bestimmten Datum die Trauben in die Kellereien Liefern können (ich habe zur selben Zeit gelesen). Bis und mit heute, wurde der diesjährige Jungwein von meiner Seite her nicht geschwefelt, ich denke, dieser ist solange noch Kohlensäure vom BSA vorhanden ist, geschützt. Werde dieses Wochenende mal einige Proben versuchen und dann entscheiden, ob geschwefelt oder noch zugewartet wird. Lediglich wurde der Wein bisher 2x offen von der Hefe/Trub abgezogen. Ich werde Euch auf dem Laufenden halten.
Zu den Fragen noch:
>> Die Trauben wurden innerhalb 4 h nach dem Ernten abgebeert und eingemaischt.
>> Die Pinot-Traube ist auf einer BB5 Unterlage
>> Oechsel bei Leese: 105
>> Ph-Wert nach Vergärung (vor BSA): 3.8
>> Gesamtsäure nach Vergärung(vor BSA): 9
nach zweimal offen umlassen sollte aber nicht mehr viel Kohlensäure da sein, es sei denn der Wein ist extrem kalt.
Ebenfalls wurde bei jedem Abziehen Sauerstoff aufgenommen. Gegen die Oxidation hilft die Hefe am besten, wenn der Wein aber jetzt bereits relativ sauber ist würde ich auf jeden Fall Schwefeln. Die Pinot Noir Frucht ist aufgrund geringer Anthozyangehalte sehr oxidationsempfindlich.
Da das flavylium-kation (roter frbstoff) sehr empfindlich auf pH-Wert Erhöhung reagiert schwefle ich unsre Roten (auch SpBg) nur mit Gas und nicht mit Tabs. Der Kaliumeintrag ist zwar nur gering aber doch vorhanden, v.a. bei einem schon hohen pH-Wert von 3,8.
ansonsten hängt die Farbintensität beim SpBg vor allem an der weinbaulichen Seite: Ertrag, Ertrag, Sonneneinstrahlung, Ertrag, Klone, Lesezeitpunkt und Ertrag.
Die Farbstabilität wird v.a. durch die Maischeverarbeitung bestimmt. Stichwort Polyphenole. Farbstoffe sind auch an andere Inhaltsstoffe gebunden und wie oben schon sehr richtig beschrieben hilft alles was Struktur und Dichte gibt auch Farbstoffe zu erhalten. Ich denke hier ist ein Komnbinationsproblem aus Weinbau und Keller also zu wenig und zu instabile Farbstoffe, welche dadurch auch sehr empfindlich sind. Und wenn alles nichts hilft, dann helfen ein par Stöcke Dakapo: http://de.wikipedia.org/wiki/Dakapo
Lieber Stefan, Dein Problem mit dem Farbverlust nach Zugabe von Schwefel ist bekannt. Es scheint, als ob die Zeitpunkte und Mengen der Schwefelzugabe nicht optimal sind. Möglicherweise wäre eine frühere Zugabe oder eine andere Methode der Farbstabilisierung hilfreich. Vielleicht könnten auch spezifische Behandlungen für Pinot Noir in Betracht gezogen werden. Viel Erfolg beim Experimentieren und Verbessern deines Weins!