EWBC 2010: Die Zukunft der Weinkritik

Foto: ÖWM

Hier der Versuch einer Zusammenfassung des Hauptvortrages am ersten Tag der European Wien Bloggers Conference 2010  in Wien, gehalten von der Weinjournalistin Elin McCoy (auf dem Foto ganz im Vordergrund).

Die Zukunft der Weinkritik

Das Internet hat die Medienszene und damit auch die professionelle Weinkritik nachhaltig verändert. In den 1980ern und 90ern gab es nur eine Hand voll Kritiker, Robert Parker und andere, von überregionaler Bekanntheit, die bei sehr vielen Verkostungen präsent waren und Punkte vergaben.

Oft haben diese Kritiker weder das Weingut noch die Herkunftsregion der Weine je gesehen, weshalb die Weinkritik wie in einem Elfenbeinturm erschien. Nicht zuletzt deshalb waren die Kritiker weitgehend von der Weinbranche unabhängig und standen deshalb im Ruf, mit ihren Weinbewertungen die „Wahrheit“ zu verkünden.

Während es zu dieser Zeit für ein Weingut eine durchaus eine erfolgreiche Marketingstrategie sein konnte, mit allen Mitteln auf einen Weinstil hinzuarbeiten, der erfahrungsgemäß mit 95 Parker-Punkten bewertet wird, erscheint dies heute wesentlich weniger erfolgversprechend.

Nicht zuletzt aufgrund der Entwicklung des Internet mit seinen Blogs, Weinforen, etc. werden solche Urteile heute viel stärker hinterfragt und garantieren längst nicht mehr einen reißenden Absatz. „Everyone can be a wine-critic!“

Die „Bürger-Weinkritik“ findet heute auf ganz vielfältige Weise statt:

Von Weinliebhabern, die in einschlägigen Plattformen Verkostungsnotizen posten. Davon gibt es weltweit Zigtausende, viel mehr, als jemals von professionellen Weinmedien publiziert wurden.

Von Bloggern, die regelmäßig über Wein(e) schreiben. Sie untergraben die frühere Autorität der Weingurus, und ihr Erfolg läßt die Grenzen zwischen Blogs, Printmedien und sonstigen Formen des Journalismus immer mehr verschwimmen.

Auch Händler, Importeure und Produzenten bloggen (mit kommerziellem Hintergrund), und tragen zu dieser Entwicklung bei.

Auf diese Weise macht das Internet herkömmliche Verkostungsnotizen und Weinbewertungen von Journalisten mehr und mehr überflüssig bzw. führt zu folgenden Veränderungen:

Die Sprache, mit der Weine beschrieben werden, hat sich gewandelt.

Die Geschwindigkeit, in der Informationen benötigt werden (z.B. von Händlern oder Produzenten über die jeweiligen Weine) hat sich dramatisch erhöht.

Das Internet muß nicht auf Platzprobleme von Printmedien Rücksicht nehmen und zwingt nicht zu (manchmal) verkürzten Darstellungen. Hintergrundinfos können via Links viel umfangreicher geboten werden.

Kommentare und Reaktionen erfolgen im Internet anders als bei Printmedien prompt und direkt (z.B. bei Fehlern).

Blogs haben wesentlich mehr Freiheiten im Stil, als teure Printmedien. Sie können für verschiedene, auch kleine Zielgruppen informativ aufbereitet sein, unterhaltend daherkommen, poppig auftreten oder persönlich. Bei der Themenauswahl sind sie weniger gezwungen, Rücksicht (z.B. auf Inserenten) zu nehmen.

Nicht zuletzt deshalb trägt das Internet auch eher und leichter der immer vielfältig werdenderen Weinwelt mit neuen Gebieten, Stilen und Produzenten Rechnung.

All das führt dazu, dass die junge Generation mehr auf Emfehlungen von Freunden und Bekannten vertraut, als auf irgendwelche Weingurus.

Ein Nachteil dieser Entwicklung ist, dass die Grenzen zwischen Bewertung und Verkauf, zwischen Journalismus und PR mehr und mehr fallen. Traditioneller Journalismus vermittelt(e) eher einen allgemeinen Objektivitätsanspruch, während heute die Frage der persönliche Glaubwürdigkeit von Bloggern eine größere Rolle spielt.

Positiv ist dagegen, dass die Blogger und anderen Internet-Weinkommunikateure mehr für die Leser schreiben und deshalb auch mehr Feedback und Kontakt haben. Printmedien liefern dagegen oft allgemeine, gleichlautende 08/15-Geschichten, weshalb Blogger eher eine persönliche Marke entwickeln (können).

Auf diese Weise werden Blogs immer mehr zu persönlichen Weinmagazinen, und es wird wohl auch bald gemeinsame Projekte in diese Richtung von bekannten Bloggerpersönlichkeiten geben. Ausschlaggebend für den Erfolg sind dabei der Schreibstil und die Originalität der Internet-Schreiber.

Auch durch das Internet verändert sich die Rolle des Weines vom „esoteric hobby“ zum Allgemeingut vieler Menschen, was Raum gibt, für viele verschiedene Stimmen. Um diese Entwicklung weiter voranzutreiben, sollten die Weinblogger auch mehr über Hintergründe, spezielle Weinstile und Meinungen abseits des Mainstreams berichten.

„Think more, taste less“, lautete dazu die launige Empfehlung von Elin McCoy.

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