Vergangenes Wochenende hatte ich das Vergnügen, in einem speziellen Workshop der Weinakademie Österreich eine Gruppe angehender Weinakademiker auf ihre größte Theorie- und Verkostungsprüfung vorbereiten zu dürfen.
Dabei ging es unter anderem darum, nach einer Verkostung von zwölf Weinen unter Prüfungsbedingungen die Weinbeschreibungen der Teilnehmer zu diskutieren.
Auch wenn die Anwärter auf den Titel Weinakademiker im Lauf ihrer Seminarkarriere gelernt haben (sollten), dass es bei der Beschreibung von Wein niemals ein allgemeingültiges Urteil geben kann, hoffen manche in dieser Situation wohl trotzdem auf ein eindeutiges „richtig“ oder „falsch“.
Das ist nur all zu verständlich, denn gerade in Hinblick auf eine nahende Prüfung ist es sicherlich nicht sehr befriedigend nur ein sehr grobes Feedback über die Richtigkeit der eigenen Verkostungsnotiz zu erhalten.
Trotz der nüchternen Degustationsmethodik der Weinakademie ist eine wesentlich genauere Beurteilung von Einzelaspekten einer Weinbeschreibung aus zwei Gründen nicht möglich.
Man kann durch Übung zwar lernen, die Art und Intensität der eigenen Sinneseindrücke in Beziehung zum Empfinden anderer Verkoster zu setzen, und auf diese Weise die eigenen Weinbeschreibungen an die anderer Verkoster annähern.
Trotzdem bleibt aber auch bei geübten Verkostern jede Einschätzung subjektiv und deckt sich manchmal zu 100 Prozent, häufig in der Tendenz, gar nicht so selten aber auch überhaupt nicht mit der Meinung anderer.
Aber selbst wenn zwei Verkoster das gleiche empfinden, führt das nicht automatisch zur gleichen Aussage, denn neben den Verkostungseindrücken selbst ist natürlich auch deren Darstellung höchst subjektiv.
Sogar vermeintlich klare Begriffe wie „wenig“, „mittel“ und „hoch“, die gerne für eine Quantifizierung von Aromaintensität, Restzucker, Säure, Körper und Alkoholgehalt verwendet werden bedeuten nicht für jeden das gleiche.
Für manche Verkoster hat z.B. „wenig“ einen negativen Beigeschmack, während andere das Wort völlig wertfrei verwenden. Betont sachliche Degustatoren versuchen, ihre Gewichtung allenfalls durch kleine Abstufungen dieser drei Begriffe in Form von „minus“ und „plus“ darzustellen, sprachlich begabte Weinfreunde fügen hingegen gerne ein paar Worte hinzu, um die Feinheiten ihrer Wahrnehmung zu transportieren.
In der Praxis führt das schnell zu letztlich sinnlosen Diskussionen darüber, ob ein „Säuregehalt mittel plus“ ident mit einer „hohen, aber sehr gut eingebundenen Säure“ ist. Solche Unstimmigkeiten beende ich in meinen Seminaren gerne mit einem (zugegebenermaßen hinkenden) Vergleich:
Für mich ist das Beschreiben von Wein wie das Zeichnen oder Malen eines Porträts. Trifft man die Konturen richtig und vergißt nicht auf Brillen, Ohrringe und besonders große Nasen oder Ohren spielt es für die Wiedererkennbarkeit wenig Rolle, ob man das Bild im Stil der Renaissance malt, oder als Karikatur zeichnet.
Selbst wenn der Scheitel auf der falschen Seite sitzt, ist die Darstellung noch lange nicht wertlos, solange die Gesichtszüge gut getroffen sind.
Je mehr Details aber nicht klar und treffend gezeichnet sind, umso unschärfer wird das Bild, und irgendwann wird daraus ein zwar vielleicht hübsches, aber bis zur Unkenntlichkeit verfremdetes und damit letztlich wertloses Portrait.