Winzergenossenschaften
Eigentlich wollte ich meine Serie zu den Vereinen und Verbänden ganz anders beginnen. Aus aktuellem Anlaß schreibe ich aber über das Thema Winzergenossenschaften. Heute Nachmittag hat nämlich die Winzergenossenschaft Mörbisch am See bei einer Generalversammlung ihre Auflösung beschlossen.
Wie auch die Selbstbeschreibung (hier im Menü Wein aus Mörbisch/Organisationen) zeigt, war die Mörbischer Winzergenossenschaft zwar für viele kleine Nebenerwerbswinzer eine wichtige Institution, da sie aber immer nur Faßwein weiterverkauft hat, erreichte sie weder eine besonders große Wertschöpfung noch eine echte Marktbedeutung.
Anders als in Deutschland hat in Österreich das Genossenschaftswesen im Weinbau nie eine besonders große oder gar dominante Stellung erreicht. Von wenigen Ausnahmen wie den Freien Weingärtnern Wachau, der Winzer Krems, den Genossenschaften von Neckenmarkt und Horitschon, der Domaine Pöttelsdorf und der Winzergenossenschaft Andau (mit dem Projekt Zantho) abgesehen, genügten sich die Genossenschaften lange in der Rolle der Zulieferer für die (schon vor einigen Jahren gescheiterten) Dachverbände Winzerhaus (NÖ) und Weinkellerei Burgenland.
Dabei ist die Idee des Genossenschaftswesens an sich durchaus vielversprechend. Viele mehr oder weniger kleine Winzer investieren gemeinsam in Produktion und Vertrieb und schaffen so mehr Qualität und Einkommen aus ihren Trauben. Die Genossenschaft selbst ist als Firma dabei nur Mittel zum Zweck und erwirtschaftet ihren Gewinn nicht für sich selbst, sondern ausschließlich für die Mitglieder.
Zu diesem Zweck sind Genossenschaften im Vergleich zu Handelsbetrieben zwar unter anderem steuerlich begünstigt, unterliegen dafür aber deutlich strengeren Bestimmungen als herkömmliche Vereine. Genossenschaften haben nicht nur einen Vorstand, sondern auch einen Aufsichtsrat und werden im Rahmen der Revision jährlich von unabhängigen Institutionen geprüft.
In der Nachkriegszeit wurde in fast jedem größeren Weinbauort eine Winzergenossenschaft gegründet. In den allermeisten Fällen vinifizierten sie aus den Trauben ihrer Mitglieder Faßweine, die an den Handel, vor allem aber an die genossenschaftliche Vermarktungsdachorganisation weiterverkauft wurden. Der Winzerverband übernahm dann den Verschnitt der Weine, die Abfüllung und den Verkauf im In- und Ausland.
Schwerfällige Entscheidungsstrukturen, ein zu langsames Reagieren auf den sich wandelnden Markt, politische Interventionen, die Überproduktion Ende der 70er und Anfang der 80er-Jahre und der Weinskandal führten nach einer langen Krise letztlich zum Zerfall der Winzerverbände und nahmen vielen kleinen Ortsgenossenschaften damit ihre Vermarktungsstrukturen. Vom burgenländischen Winzerverband, später Weinkellerei Burgenland genannt, sind nur einige Marken wie die „Storch“-Weine (die heute von der privaten Weinkellerei Lenz Moser verkauft werden) geblieben.
Nur wenigen Genossenschaften ist es gelungen, nach dem Zerfall der Dachverbände eigene Vermarktungsstrukturen aufzubauen. Das Dinstlgut Loiben scheiterte erst vor wenigen Monaten endgültig mit diesem Versuch, wie ich hier berichtet habe. Die meisten produzier(t)en weiter anonyme Faßweine, die sie mehr oder weniger gut an größere Handelsbetriebe verkauf(t)en. Dabei bewegen sie sich in einem Teufelskreis, in dem eine geringe Wertschöpfung zu einem geringen Auszahlungspreis für die Trauben und einer dementsprechend geringen Motivation der Mitglieder bei der qualitätsorientierten Weingartenarbeit führt. Was wiederum die Weinqualität verschlechtert und damit den möglichen Erlös.
Genossenschaftsmitglieder haben aber selten den Weitblick und das Verständnis für die Erfordernisse des Marktes, um solche Überlegungen anzustellen. Sehr oft fehlt es auch an der Ausbildung für qualitätsfördernde Maßnahmen im Weingarten oder der Solidarität, nicht nur schlechtes Traubenmaterial in die Genossenschaft zu liefern und gutes selbst zu vermarkten. Die erfolgreichen Betriebe versuchen diese Problematik mit der Verpflichtung alle Trauben abzuliefern, einem qualitätsorientierten Bezahlungssystem und ständigen Schulungen der Mitglieder in den Griff zu bekommen. Wie aber die Turbulenzen innerhalb der Freien Weingärtner Wachau in den letzten Jahren zeigen, bleibt dieses Spannungsfeld zwischen Mitgliedern und Betriebsführung in Genossenschaften trotzdem immer für Konflikte gut.
Der Strukturwandel in der Weinbranche, bedingt durch den Markt und die auch generationenbedingte Abkehr vom Nebenerwerbsweinbau treibt aber die Genossenschaften in eine gefährliche Kostenfalle. Die Mitgliederzahlen, Rebflächen und zu verarbeitenden Trauben werden von Jahr zu Jahr weniger, aber die Fixkosten für Personal, Geräte, Strom, Abwasserentsorgung und Verwaltung bleiben weitgehend gleich.
Sogar die Auflösung einer Genossenschaft wird da zum Problem. Denn erst wenn auch das Gebäude samt allen Geräten und Tanks (die meist nicht auf dem allerletzten Stand der Technik und dementsprechend schwer zu verkaufen sind) veräußert sind, kann die Genossenschaft auf dem Papier aufgelöst werden. Und bis dahin fallen weiterhin laufend Kosten an, auch wenn keine Trauben mehr übernommen werden.