Wein-Überraschung zum Jahresausklang

Auch bei langjähriger Erfahrung ist das Einschätzen des Reifepotentials von Weinen immer mit einer mehr oder weniger großen Portion Wahrsagerei verbunden. Und so wie es immer wieder Weine gibt, die schneller alt werden, als erhofft, gibt es auch Weine, die langlebiger sind, als man ihnen je zugetraut hätte.

Am letzten Tag des alten Jahres bescherte mir ein Zufallsfund im Weinkeller ein solch positives Erlebnis.

Pinot blanc Spätlese (süß) 1991

Der Jahrgang 1991 war (neben 1996 und 1987) sicherlich einer der schwierigsten der letzten 20 Jahre. Nach einem langen Winter startete die Vegetation um gut vier Wochen verspätet in den Frühling. Die Blüte begann Ende Juni und dauerte bis in die zweite Juliwoche. Normalerweise blühen die Reben Anfang Juni, in Jahren wie 2000, 2002 und 2003 sogar schon im Mai.

Der Sommer war eher durchwachsen und nicht wirklich dazu angetan, den Vegetationsrückstand wieder gutzumachen. Der feuchte September brachte einen massiven Botrytisbefall in einem sehr frühen Reifestadium der Trauben, haarscharf an der Grenze zwischen (unbrauchbarer) Sauerfäule und (für Süßwein nutzbarer) Edelfäule. Bei uns in Mörbisch beschleunigte ein später Hagelschlag diese Entwicklung zusätzlich.

Der Lesetermin war der bestmögliche Kompromiß zwischen halbwegs ausreichender Traubenreife und noch vertretbarem Botrytisbefall. Die Weißweine waren dementsprechend schlank, eher leicht im Alkohol, hoch (für heutige Geschmackserwartungen zum Teil viel zu hoch) in der Säure und mehr oder weniger von Botrytisaromen geprägt.

Beim Versuch, den Botrytisanteil in unserem trockenen Weißburgunder durch ein Aussortieren eines Teiles der Botrytistrauben etwas zu reduzieren (an eine „saubere“ Trennung zwischen kaum noch vorhandenen frischen Beeren und Botrytis war nicht mehr zu denken) entstanden damals als „Negativselektion“ 500 Liter Spätlese mit etwa 22°KMW (nach Weingesetz eigentlich schon eine Auslese), 11,3% Alkohol, 50,9 g/l Restzucker und 9,2 g/l Säure.

Wie nicht anders zu erwarten, war der Wein in seiner Jugend sehr botrytisgeprägt und trotz Restzucker (auch aber nicht nur wegen der hohen Säure) recht schlank. Das er einen für unsere Verhältnisse außergewöhnlich hohen zuckerfreien Extraktwert von 34,6 g/l hat beweist nur, wie wenig Analysenwerte über den sensorischen Eindruck aussagen können.

Alles in allem also ein braver Wein, dem man nicht allzuviel Potential zutrauen würde. Und schon gar keine solche Performance nach 15 Jahren:

Farbe:

klar, kräftiges Bernstein bei nur mittlerer Viskosität, ungewöhnlich farbintensiv für eine Spätlese selbst dieses Alters, erklärbar durch den extrem hohen Botrytisanteil

Geruch:

sauber, nicht allzu intensiv aber sehr klar und jugendlich, Honig und Zitrusfrüchte bei mittlerer Komplexität

Geschmack:

durch die Reife und die lebendige, aber gut eingebundene Säure eher halbtrocken als süß wirkend; filigran, dabei aber nicht schlank, sondern elegant; Honigaromen und Zitrusfrüchte auch am Gaumen; ausgesprochen frisch, mittellang im Abgang ohne jeglichen Anflug von botrytisbedingten Bitternoten

Zusammenfassung:

kein großer aber ein guter bis sehr guter und vor allem unerwartet jugendlicher Wein, der trotz merkbarer Botrytisprägung nicht eindimensional oder unangenehm wirkt; ein guter Begleiter zum (wenig süßen) Vanilleparfait aber auch zum genußvollen Weitertrinken nach dem Dessert

Gut das noch ein paar Flaschen in unserer Privatvinothek schlummern…

2 Gedanken zu „Wein-Überraschung zum Jahresausklang“

  1. „Der Jahrgang 1991 war (neben 1996 und 1987) sicherlich einer der schwierigsten der letzten 20 Jahre.“

    War nicht gerade 1991 ein ausgezeichnetes Jahr für Süßweine? Ich hab‘ zumindest noch einiges davon.

  2. Wenn 1991 (im Burgenland) sehr gute oder sogar ausgezeichnete Weine entstanden sind, dann am ehesten Hochprädikate. Aber selbst bei diesen Weinen ist oft eine gewisse Skepsis angebracht, auch wenn sie nur sehr sehr vereinzelt geäußert wurde/wird.

    Viele dieser Hochprädikate enthalten mehr flüchtige Säure, als üblich und einem wirklich „großen“ Wein zuträglich ist. Die Botrytis war nämlich nicht immer und überall so sauber wie z.B. 1995 und zumindest bei einzelnen Beeren eher eine späte Grünfäule als echte Edelfäule.

    Und auch die sehr hohen Säurewerte sind nicht nur ein Grund zur Freude. Man darf schließlich auch bei Süßweinen nicht die dafür verantwortliche Ausgangsqualität der Trauben vergessen. Und die waren Lichtjahre von jeglicher physiologischer Reife und Harmonie entfernt.

    Die 1991er wirken trotz hoher Konzentration mitunter so sauer, daß sie zwar sehr viel Süße wegstecken aber vielleicht auch nie wirklich harmonisch werden können. In Verbindung mit dem weit verbreiteten Uhu-Touch in der Nase sind sie sehr eigenwillig und relativ leicht zu erkennen.

    Von der Klasse der 95er (von denen es ähnlich große Mengen gab) und selbst von den (jahrgangsmäßig nicht unähnlichen) 96ern sind die 91er meiner Meinung nach weit entfernt.

Schreibe einen Kommentar

Time limit is exhausted. Please reload the CAPTCHA.