Aus all den Besonderheiten des Jahrgangs 2010 sticht eine ganz bemerkenswert heraus: Die bisherige, völlig untypische Zurückhaltung, was Aussagen zur Qualität der Weine betrifft.
Normalerweise werden ja sowohl von einzelnen Winzern, als auch von den diversen Gemeinschaftsverbänden der Weinwirtschaft oft schon im September, spätestens aber Mitte Oktober die ersten diesbezüglichen Meldungen lanciert, und von den Medien gerne angenommen.
Selbstverständlich geht es dabei immer um die mehr oder weniger abgewandelte Jahrhundertwein-Saga, und die Gewöhnung des Publikums an diese (ver-)früh(t)en Jubelmeldungen ist wahrscheinlich der Grund für das heurige Schweigen weiter Teile der Weinbranche.
Erstmals kein Jahrhundertjahrgang?
Schließlich ist es nach dem Sommer 2010, der wohl noch sehr vielen in Erinnerung ist, besonders unglaubwürdig, einen Spitzenjahrgang auszurufen. Darunter tut man sich aber nach den Hymnen auf praktisch alle Jahrgänge der letzten Zeit schwer, und deshalb hört und liest man derzeit vor allem von der geringen Erntemenge.
Die ist soetwas wie der kleinste gemeinsame Nenner aller heimischen Weinbauern und ein wesentlich unproblematischeres Thema für die Kommunikation.
Ein weiterer Grund für die Zurückhaltung ist wohl die Tatsache, dass sich der Jahrgang 2010 zu diesem frühen Zeitpunkt noch viel schwieriger einschätzen läßt, als andere. Selbst erfahrenen Winzern fällt es nicht leicht, aus den völlig unterschiedlichen Aspekten eine stimmige Prognose über die Entwicklung der Weine zu geben.
Auf der Sollseite stehen das schlechte Wetter, der teilweise Botrytisbefall und die hohe Säure. Auf der Habenseite die gar nicht so schlechten Zuckergradationen, ein nicht wirklich unreifer Geschmack von Schalen und Kernen bei vielen Traubenchargen, geradezu auffallend gute Farbausbeuten bei den Roten und das positive Geschmacksbild vieler Jungweine.
In Jahren wie 2010 gibt es aber von Weingut zu Weingut wohl größere Unterschiede beim Saldo, was überbetriebliche Jahrgangseinschätzungen noch viel schwieriger macht, als sie in „einfacheren“ Jahren ohnehin schon sind.
Ein Jahr der Winzer?
An und für sich mag ich den gerade heuer oft zitierten Spruch von Jahren, die sorgfältig arbeitende Winzer belohnen nicht so gern, weil er ein wenig suggeriert, es gäbe Jahrgänge, in denen man auch ohne gute Arbeit hohe Qualität produzieren kann.
Vielleicht habe ich ihn aber bisher auch einfach nur falsch verstanden, weil diese sorgfältige Weingartenarbeit bei uns so sehr Standardprogramm ist, dass mir ihre positiven Auswirkungen gar nicht so außergewöhnlich erscheinen.
Nicht zuletzt deshalb bin ich im Kollegenkreis mit näheren Details zum Jahrgang sehr zurückhaltend geworden. Wo über die Schwierigkeit, heuer die notwendige Reife für Qualitätswein zu erreichen gesprochen wird, gilt man nämlich leicht als Lügner, wenn man nur von deutlich höheren Gradationen zu berichten weiß.
Und wo eifrig über die vielen Möglichkeiten der Kellertechnologie zum Kaschieren von Reifemängeln diskutiert wird, ist man schnell Außenseiter, wenn man im Keller generell wenig, und angesichts guter Trauben heuer kaum etwas anders macht als sonst.
Gut, schlecht oder sowieso egal?
Wirklich schmecken werden den Unterschied zwischen den überwiegend gut gewachsenen und den gut gemachten Weinen aber wohl ohnehin nur die allerwenigsten. Ist er doch bei der absoluten Mehrzahl der Weine, den leichten, jung zu trinkenden, besonders subtil und damit weit unter der Wahrnehmungsschwelle der meisten Konsumenten.
Freunden von üppig ausladenden Weinen wird hingegen sehrwohl auffallen, dass es 2010 selbst mit massiver kellertechnischer oder Botrytis-Hilfe deutlich weniger dicke, schwere Blockbuster gibt. Deshalb werden sie den Jahrgang wohl auch als schwach oder höchstens mittelmäßig einstufen.
Für die Liebhaber feiner Nuancen hingegen könnten gerade die Weine des Jahres 2010 besonders interessant sein, wenn man ihnen die nötige Zeit läßt, und sich die Mühe macht, genauer hineinzuschmecken. In Sachen Fruchtigkeit, Eleganz und Komplexität sollte nämlich da und dort durchaus die Oberliga zu erreichen sein.
Damit liegt 2010 eigentlich auch voll in jenem Trend, den Weinpublizisten allerorten seit zwei, drei Jahren verkünden. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob sie dem feingliedrigen Stil in ihren Bewertungen am Ende auch wirklich Rechnung tragen.
Auch Bloggerkollege Harald Steffens von der Mosel beschäftigt sich mit der Qualität des Jahrgangs 2010 und ihrer Wahrnehmung. Hier geht es zu seinem lesenswerten Beitrag.
Dem kann ich nur vollstens zustimmen! Uneingeschränkt!
Gruß von der Mosel
Hallo Bernhard,
ist schon außergewöhnlich der 2010er. Doppelsalzentsäuerung haben wir schon sehr lange nicht mehr verwendet. Z.B. Sauvignon Blanc mit 19,5 KMW und 13 g/l Säure, gelesen Mitte Oktober. Der Zeitpunkt der Lese lag, wie vor der Ernte vorhergesagt zwischen 2005 und 2008. Qualitativ sind wir besser als 2008, da wir nur 1/3 der Menge von 2008 hatten. Der Cabernet hat es wahrscheinlich nicht geschafft reif zu werden, da -4 Grad vorigen Donnerstag die Vegetation abrupt beendet hat.
lg aus dem sonnigen Weinviertel