Von der Traube zum Weißwein, Teil 2

Die Pressung

Weltweit sind heutzutage pneumatische Pressen aus Edelstahl der Standard. Erst sie erreichen – nach diversen technischen Zwischenschritten, die vor allem eine Vereinfachung, selten aber eine Qualitätsverbesserung gebracht haben – wieder die Mostqualität, die die gute alte Baumpresse zu erzielen in der Lage war.

Pneumatische Pressen haben in ihrem Inneren einen Luftbalg, der beim Pressen aufgeblasen wird und die Trauben gegen die geschlitzte Außenwand drückt. Die gängigste mechanische Presse hingegen, die Spindelpresse, schraubt sich wie eine überdimensionale Schraube zusammen. Beim Preßvorgang ist sie daher ständig in Bewegung, was die Trauben ebenso belastet wie der relativ hohe Preßdruck. Pneumatische Pressen kommen mit nur bis zu 1,8 Bar aus und sind daher schonender. Da es in ihrem Inneren kaum Ecken, Kanten und für die Funktion notwendige Einbauten gibt, „produzieren“ sie weniger Trubstoffe und sind sehr leicht zu reinigen.

Eine Sonderform, die sogenannte Tankpresse, ist außen fast völlig geschlossen und hat die Entsaftungssiebe im Inneren. Der Saft hat bei den Tankpressen daher kaum Kontakt mit dem Luftsauerstoff. Wenn man extrem reduktiv (sprich ohne Sauerstoff) arbeiten möchte, kann man die Presse vor dem Befüllen mit Trauben mit CO2 oder Stickstoff befüllen und damit jeglichen Sauerstoff aus der Presse verdrängen. Macht man das auch mit dem Tank, in den der Saft fließt, läßt sich, zumindest theoretisch, jeglicher Kontakt von Sauerstoff mit dem Saft ausschließen, wenn man das als Kellermeister für sinnvoll erachtet.

Ein typisches automatisches Preßprogramm dauert je nach Sorte und Verarbeitung der Trauben ein bis drei Stunden. Es besteht aus einer Vorpreßphase mit sehr geringem Druck und einer Preßphase mit langsam steigendem Druck. Nach einigen Minuten des Druckhaltens wird üblicherweise der Druck nachgelassen und die Presse sorgt mit einigen Umdrehungen dafür, daß der Tresterkuchen (die teilweise ausgepreßten Trauben) aufgelockert wird, und beim nächsten Preßdurchgang wieder leichter Saft abgibt. Diesen Vorgang nennt man „scheitern“.

Je nach Preßphase hat der Saft eine eigene Bezeichnung und auch unterschiedliche Eigenschaften. Der Seihmost ist jener Most, der ohne Druckeinwirkung durch das Eigengewicht der Trauben abläuft. Er ist relativ trüb, da der Tresterkuchen im Inneren der Presse noch nicht kompakt genug ist, um kleinere Trubteilchen zurückzuhalten. Außerdem ist er relativ arm an Extraktstoffen (und Aroma), da nur der Saft leicht abläuft, der nicht im extraktreicheren Fruchtfleisch bzw. der Schale fixiert ist.

Seihmost ist dafür allerdings sehr gerbstoffarm, er enthält also kaum Bitterstoffe, die die Qualität des Weißweines trüben könnten. Außerdem ist der Seihmost säure- und zuckerreicher und ergibt besonders feingliedrige, elegante Weine.

Der Saft, der während der Hauptphase der Pressung extrahiert wird, ist der Preßmost. Er ist zucker- und säureärmer, dafür aber reicher an Extrakt- und Aromastoffen. Außerdem ist er etwas klarer und ist bei schonender Pressung und gutem Traubenmaterial auch nicht unangenehm gerbstoffbelastet.

Da sich Seih- und Preßmost gut ergänzen, werden sie in der Regel auch gemeinsam verarbeitet. Je nach Traubenverarbeitung und Sorte können die Anteile von Seih- bzw. Preßmost erheblich differieren. So gibt es z.B. bei der Ganztraubenpreßung theoretisch gar keinen Seihmost, bei einer sehr langen Maischestandzeit mit dementsprechendem enzymatischem Abbau des Fruchtfleisches sehr viel.

Den Saft, der am Ende des Preßvorganges nach zahlreichen vorherigen Scheitervorgängen mit der höchsten Druckstufe gewonnen wird, nennt man Scheitermost. Er ist durch die lange Preßdauer meist schon deutlich oxidiert und kann erhebliche Mengen an unerwünschten Gerbstoffen enthalten. Der Preßmost wird daher in Qualitätsbetrieben separat verarbeitet (zu einfachem Tafel- oder Landwein, der nicht selten nicht unter eigenem Etikett vermarktet wird), oder oft gar nicht mehr aus den Trauben herausgequetscht. So spart man Zeit und Geld, anstatt mit relativ großem Zeitaufwand eine minimale Menge an minderwertigem Traubensaft zu gewinnen.

Die Programmierung der Presse wird (oft nach dem Prinzip Versuch und Irrtum) an die Trauben angepaßt, da sich diese je nach Sorte, Jahrgang, Reifezustand, vorheriger Traubenverarbeitung und Befüllungsgrad der Presse ganz unterschiedlich verhalten.

Am Ende bleibt in der Presse eine mehr oder weniger trockene Mischung von ausgequetschten Schalen, Kernen und (je nach Traubenverarbeitung) auch Stielen. Dieser Trester könnte mit Wasser versetzt werden, um den noch vorhandenen Zucker und Geschmack auszulaugen und daraus per Gärung eine schwach alkoholhältige Flüssigkeit mit Weingeschmack zu erzeugen. Früher wurde dieses „Getränk“ legal als Haustrunk der Winzer ausschließlich für den Eigenbedarf erzeugt, heute ist es, wenn es überhaupt gewonnen wird, die Grundlage für die Destillation von Tresterschnaps oder Grappa.

Würde man aus dem Trester die Kerne aussieben, trocknen und pressen, ließe sich daraus das sehr wohlschmeckende Traubenkernöl gewinnen. Obwohl dieses Produkt in letzter Zeit ein klein wenig in Mode kommt, findet man es nach wie vor sehr selten.

Da die Traubenkernölproduktion (noch) verschwindend gering ist, und kein Weinbauland in der Lage wäre, seinen Wein und zusätzlich den Tresterbrand aus allen anfallenden Preßrückständen zu konsumieren, werden die Trestern fast immer in den Weingarten ausgebracht, wo sie verrotten und als Humus ihren Beitrag zur Bodengesundheit leisten.

Der Saft landet nach der Pressung in der Regel in einem Edelstahltank und harrt der Dinge, die da kommen…

 

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