Foto: Kassander der Minoer aus de.wikipedia
Die österreichische Weinwirtschaft hat sich im Zuge des Strukturwandels seit den 1980er-Jahren stark verändert. Tausende kleine Nebenerwerbsbetriebe haben den Weinbau aufgegeben, und viele der etwas größeren Betriebe sind mehr oder weniger stark gewachsen.
War der großelterliche Weingartenbesitz von jeweils rund drei bis fünf Hektar in ihrer Zeit deutlich über dem Durchschnitt, und das daraus entstandene Weingut meiner Eltern mit knapp zehn Hektar bis in die 1990er hinein ein vergleichsweise großer Betrieb, so gilt man heute mit dieser Fläche unter den qualitätsweinproduzierenden Flaschenvermarktern schon eher als klein.
Nicht das sich unsere Rebfläche seit den 1960ern gar nicht verändert hätte. Immerhin haben meine Eltern seither die Zahl der Parzellen von rund 60 auf etwa 30 halbiert, auf die besten Lagen konzentriert und viele Weingärten in schwächeren Lagen in der Ebene aufgegeben.
Im Unterschied zu vielen anderen Betrieben, die ihre bewirtschaftete Fläche zum Teil um ein Vielfaches gesteigert haben, sind wir dabei aber praktisch nicht gewachsen. Dass das auch Auswirkungen auf die Wahrnehmung und das Verhalten der Weinbauern hat, ist klar.
Während bei unserer Betriebsgröße noch fast jede Arbeit vom Chef (oder seinen Eltern oder Kindern) selbst erledigt wird, geht es bei größeren Weingütern nicht mehr ohne fix beschäftigte Fremdarbeitskräfte, die nicht nur Hilfsarbeiten, sondern auch heiklere Tätigkeiten übernehmen müssen.
Und während bei uns kleinere oder auch größere Nebentätigkeiten (z.B. bei Bautätigkeiten oder Reparaturen) öfter selbst durchgeführt werden, nehmen größere Betriebe dafür fast immer Fremdfirmen in Anspruch.
Dem Betriebsführer bleibt dadurch mehr Zeit, sich der Kontrolle der Beschäftigten und der Vermarktung der Weine zu widmen. Während aber letzteres oft recht gut funktioniert, scheint es an ersterem da und dort zu hapern. So soll es Weingüter geben, deren von Lohnunternehmen bearbeitete Weingärten nur im Nahbereich der Zufahrtsstraße sorgfältig gepflegt, dahinter aber eher bescheiden bewirtschaftet sind.
Am Selbstbewußtsein mangelt es hingegen selten, und in einigen Fällen konnte man sogar beobachten, wie es mit der Rebfläche mitgewachsen ist. Manche Kollegen, mit denen man sich vor wenigen Jahren noch auf gleicher Ebene über aktuelle Weinbaufragen unterhalten konnte, führen heute Gespräche mit unsereinem eher von oben herab. Dabei geht es auch kaum noch um einen Meinungsaustausch zu Fragen der Produktion, sondern sehr sehr oft um konkrete Verkaufsabschlüsse oder Marketingfragen, die primär der Selbstdarstellung dienen sollen.
Diese Entwicklung hat natürlich auch die Wahrnehmung der Weinwirtschaft von außen verändert. Immer wieder werden kleinere Betriebe oder einzelne ihrer Weine mit dem Totschlagargument „nicht marktbedeutend“ einfach ausgeblendet, nur weil sie nicht zigtausend Flaschen produzieren und über kein dichtes Vertriebsnetz verfügen.
Ob die Weine tatsächlich schwer zu kriegen sind, oder nicht, spielt dabei kaum eine Rolle. Ich bin sicher, dass einige medial gepushte und entsprechend schnell vergriffene Weine mit einer Auflage von mehreren tausend Stück schwieriger zu besorgen sind, als zum Beispiel unser Traminer „Ober dem Mühlweg“, von dem es nur knapp 600 Flaschen gibt. Die dafür anstatt eines Fachhandelsbesuches notwendige Kontaktaufnahme via Telefon oder E-Mail sollte im Zeitalter der Telekommunikation ja kein Markthindernis sein.
Zum Glück sind aber einige Kollegen, die ihre Rebfläche deutlich vergrößert haben nicht abgehoben. Von denen erfährt man im persönlichen Gespräch dann auch, welche Verantwortung und welchen Stress es bedeutet, wenn man ein mittelgroßes Unternehmen mit eigentlich völlig unpassenden familiären Strukturen zu organisieren versucht, wie das in unserer Weinwirtschaft aufgrund der rasanten Entwicklung weit verbreitet ist.
Nicht selten sieht man diesen Weinbauern den Stress auch deutlich an. Und manchmal kann man sie sogar dabei ertappen, wie sie dem zwar auch arbeitsreichen, aber überschaubareren Leben als kleinerer, echter Familienbetrieb nachtrauern…