Kaum ein Thema wird so kontrovers diskutiert wie die Tätigkeit von Beratern in der Weinbranche. Aus aktuellem Anlaß möchte ich in nächster Zeit meine Sicht der Dinge dazu darstellen.
Warum Berater?
Wie in allen Branchen ist auch im Weinbereich die Sinnhaftigkeit externer Beratung nicht unumstritten. Viele Winzer (und nicht nur schlechte) erweisen sich als erstaunlich beratungsresistent und klassifizieren die Beratung mit Sätzen wie
Was soll mir ein Berater von irgendwoher Neues über meine Weingärten und meine Weine erzählen, die ich seit Jahrzehnten kenne?
Wir lassen nicht denken, wir denken selbst!
Mein Wein ist auch Ausdruck meiner Persönlichkeit. Mit einem Berater, der auch für andere Winzer tätig ist, würden meine Weine an Eigenständigkeit verlieren.
Berater, die für mehrere Winzer tätig sind, können allein aus Zeitgründen die Entwicklung meines Weines nie vollständig erfassen. Ihre Tätigkeit muß sich daher zwangsläufig auf punktuelle, kosmetische Maßnahmen beschränken.
Berater sind Leute, die einem erst die Uhr abnehmen, um einem dann für teures Geld zu sagen, wie spät es ist.
Internationale Berater uniformieren die Weine und können keine an die regionalen Gegebenheiten angepaßten Ratschläge geben.
Oenologische Beratung hat ihren Schwerpunkt in der Anwendung neuer und/oder umstrittener Technologien, die ich als Winzer grunsätzlich ablehne.
Berater erfahren im Lauf der Zusammenarbeit viele Betriebsgeheimnisse, die vielleicht auch anderen Winzern zugute kommen könnten.
Auch wenn viele dieser Argumente einen wahren Kern haben, ist gute Beratung gerade in der Weinproduktion eine unersetzbare Möglichkeit zur Qualitätsverbesserung. Ohne Beratung beschränkt sich die Möglichkeit zur Verbesserung der Weinqualität, zur besseren Anpassung an den Markt und/oder zur an den jeweiligen Jahrgang besser angepaßten Vinifikation auf die eigenen Erfahrungen und die von guten Winzerkollegen, denen man auch wirklich vertrauen kann.
Dieser Erfahrungsschatz ist zwar sehr reichhaltig, wächst aber nur sehr langsam. Allein aus wirtschaftlichen Gründen muß sich die Experimentierfreude des Winzers in Grenzen halten, und jedes Jahr bietet normalerweise nur eine Ernte, um neue Erfahrungen zu sammeln, oder bereits gemachte zu verifizieren.
Gute Berater stützen ihre Erfahrungen hingegen auf eine breite wissenschaftliche Basis und auf die Tätigkeit in mehreren Betrieben. Damit kann der Berater helfen Fehler zu vermeiden, die sich bei einem anderen Betrieb erst im Nachhinein als solche herausgestellt haben.
Berater und die öffentliche Meinung
Während die meisten Berater still im Hintergrund als zurückhaltende Helfer der Weinbauern und Kellermeister agieren, suchen einige wenige Angehörige dieser Zunft eine breite Medienöffentlichkeit. Aus eigenem Antrieb oder auf Betreiben der Weingüter, die sie engagiert haben, wird ihr Name wie eine Art Qualitätssiegel in jeder Betriebsinformation erwähnt.
Kann ein Weingut darauf verweisen, daß es zum Beispiel von Michel Rolland beraten wird, führt das zu einem starken Echo bei Weinkonsumenten und Journalisten. Der wirtschaftliche Erfolg eines solchen Engagements ist beinahe garantiert, denn fast immer sind hohe Weinbewertungen der internationalen Weinpäpste und ein entsprechend hoher Weinpreis die Folge.
Aus diesem Grund wird den wenigen internationalen Star-Beratern auch vorgeworfen, unabhängig von Herkunft und Betrieb einen ganz bestimmten Weinstil zu forcieren, der bei Bewertungen hoch bepunktet wird.
Wenn man weiß, welche Weine in Blindverkostungen meist vorne landen und wenn man den Erfolgsdruck, dem diese Berater ausgesetzt sind zumindest erahnen kann, läßt sich der Vorwurf der Uniformierung auf hohem Niveau in manchen Fällen durchaus nachvollziehen.
Agieren die Berater vor der Kamera dann auch noch so unsympatisch wie Michel Rolland und treffen auf einen Filmemacher, der unabhängig von der Beratungswirklichkeit vor allem seine Sicht der Weinwelt propagieren möchte und dafür einen „Bad Guy“ braucht, entstehen Machwerke wie der Film Mondovino.
Diskussionen wie diese zeigen, daß Mondovino die latent vorhandenen Vorurteile gegen Berater in der Weinwirtschaft bei vielen Weinfreaks zu einem wenig schmeichelhaften Urteil verfestigt hat.
Dabei ist Beratung, auch die von Michel Rolland, weit differenzierter als sie im Film dargestellt wurde, und es braucht immer auch einen Weingutsbesitzer, der bereit ist, die Empfehlungen des Beraters umzusetzen. Den Beratern die alleinige „Schuld“ umzuhängen ist also nicht gerade fair.
3 Gedanken zu „Beratung im Weinbau (1)“